Berlin, den 15. April 2020: Neuanlagen bauen, Altanlagen abbauen – so einfach rechnet sich die TAZ die Energiewende. Wenn die Realität denn so einfach wäre …
„Verspargelung der Landschaft nicht nötig“, titelte die TAZ vom 1. April 2020 zu einem Artikel, der von einem ihren freien Mitarbeiter, Hannes Koch, stammt. Thema vorgeblich: Die Energiewende kann kommen, auch ohne effektiven weiteren Zubau von Windenergieanlagen. Wie das gehen soll? Ganz einfach, man baut einfach die Altanlagen ab und baut an deren Stelle neue. In der Summe stehen dann später kaum mehr Anlagen als vorher, nämlich 32.500 statt aktuell ca. 30.000.
Wenn das Ganze kein Aprilscherz sein sollte, dann ist Kochs Artikel, der anscheinend auf Berechnungen der Agora Energiewende zurückgeht, wenigstens einer Milchmädchenrechnung aufgesessen. Denn es stimmt zwar, dass ab 2021 Altanlagen, die bis 2000 gebaut worden sind, in großer Zahl vom Netz gehen werden: Die feste EEG-Vergütung fällt weg, neue Vermarktungsmodelle sind für kleine Windparks mit Anlagen der 600-kW-Klasse kaum wirtschaftlich. Außerdem geraten viele Anlagen an das Ende ihres Lebenszyklus. Die Reparaturen häufen sich, Hauptkomponenten zu tauschen ist nicht mehr wirtschaftlich.
Ein paar Windparks werden noch irgendwie weitermachen, aber die meisten werden aufgeben müssen. Etwa 7.500 Anlagen trifft dieses Schicksal, und mit jedem Jahr kommen weitere hinzu.
Das Problem ist nur, dass es eine Reihe von Windparks geben wird, die sich irgendwie durchmogeln, um schließlich doch noch auf die gewünschte Rendite zu kommen. Denn zahlreiche Windparks der Jahre vor dem EEG mussten mit weniger Erlösen auskommen als geplant. Hinzu kommen sinkende Winderträge durch schlechtere Windjahre und durch den Zubau neuer Anlagen im Umfeld. Außerdem sind die Anlagen nicht einfach ersetzbar, aus dem simplen Grund, dass Altanlagen oft kleiner und unscheinbarer sind als moderne Anlagen jenseits der 3 Megawatt. Eine Anlage mit einem Rotordurchmesser von knapp 136 Metern und einer Nabenhöhe von bis zu 166 Metern ist nur selten an demselben Standort möglich, an dem vorher eine Anlage mit 70 Metern Nabenhöhe und nicht einmal 50 Metern Rotordurchmesser stand. Mit anderen Worten, das Prinzip Legoland funktioniert mal wieder nicht. Was auf dem Taschenrechner schnell durchzukalkulieren ist, lässt sich in Wirklichkeit nicht so einfach umsetzen.
Was eben auch heißt: Der Widerstand gegen Windkraft lässt sich nicht einfach wegrechnen nach dem Prinzip: 1 Anlage weg, 1 kommt neu. Zumal davon auszugehen ist, dass neue Windparks ganz andere Widerstände erzeugen werden als alte. Hier müssen Alternativkonzepte gefunden werden, mit denen die lokale Bevölkerung eingebunden werden kann. Hier sind die Planer und Betreiber anders gefragt.
PS: In der Netzausgabe titelt die TAZ freilich anders: 20 Jahre Erneuerbare-Energien-Gesetz: Erstens Sonne, zweitens Wind.