NOTES #10
Sie jagen Straftäter (m/w/d)
Der Zoll macht Werbung für sich. Und warum fühle ich mich ertappt?
Disclaimer – der Text kann Begrifflichkeiten enthalten, die bei der Behörde als verletzend empfunden werden.
Post vom Hauptzollamt. Wir bekommen Gelegenheit zur Stellungnahme, weil wir ein Formblatt nicht eingereicht haben und weil wir vielleicht – es folgt eine Reihe von Verweisen auf diverse Paragrafen des Stromsteuergesetzes und der Stromsteuerverordnung – gar keine Erlaubnis hatten, Strom steuerfrei zu entnehmen und zu liefern. Und weil wir bitte schön eine „Stellungnahme der tatsächlichen Sachherrschaft“ abgeben sollen. Im Ganzen wird zudem erklärt, dass sich das zuständige Hauptzollamt vorbehält, den steuerfrei entnommenen Strom im Nachhinein mit Stromsteuer zu belegen.
Man kann immerhin sagen, es geht um Geld. 100 Euro hier, 200 oder 300 da. Da kann man schon mal Aufwand betreiben. Aber lohnt sich das? Und rechtfertigen diese Beträge die – sagen wir – Ungleichbehandlung, was Fristen angeht?
Das Schreiben, mit dem dringlich um die Aufklärung von Sachverhalten und die Nachlieferung von Unterlagen gebeten wird, ist mit einem Datum vom Juni 2025 versehen, reagiert aber auf eine Eingabe vom November 2024. Sieben Monate sind eine lange Zeit, die sich das Hauptzollamt genommen hat. Dafür ist dann die Frist zur Stellungnahme auf elf Tage festgesetzt, berücksichtigt man den Postweg, sogar nur auf sieben Tage. Auch hier kann man sich glücklich schätzen, wenn diese Frist nicht in die Haupturlaubszeit fällt und der Adressat überhaupt erreichbar ist.
Die Sendung vom November schließlich war inhaltlich mit dem zuständigen Hauptzollamt vorbesprochen, wie auch vorbesprochen war, dass gegebenenfalls Unterlagen und Anträge nachgereicht werden. Anscheinend braucht aber alles seine Zeit im Amt, und wenn denn was fällig gewesen wäre, ist es eben aufgeschoben. Man tröstet sich, so gut man kann. Aber warum die kurze Frist, die das Hauptzollamt setzt? Sie wollen’s fertig haben? Kann man verstehen.
Aufklärung ohne Kant
Solche Schreiben haben mittlerweile eine gewisse Tradition. Nun will man einem Hauptzollamt nicht das Recht verwehren, um Aufklärung zu bitten. Aber mit derselben sachlich-herrschaftlichen Tonlage werden auch Fragen gestellt, die schon mehrfach beantwortet wurden, wenngleich einem anderen Sachbearbeiter (m/w/d). Zum Beispiel, warum in einem Projekt im Marktstammdatenregister vier Windenergieanlagen stehen, die Stromsteuerveranlagung aber nur für drei abgegeben wird. Die Erklärung – zwei Betreiber, einer hat drei E40, der zweite eine, der zweite muss nicht melden, weil unter einem Megawatt, aber der Netzbetreiber hat darauf gedrungen, alle vier zusammen im Marktstammdatenregister zu melden, weil’s nur eine Marktlokation gibt; das kann sich auch ein Hauptzollamt aufschreiben. Oder das Schreiben von zwei Monaten zuvor, in dem zum einen die Vollmacht des Betriebsführers abgewiesen wird – da haben sie erst mal formal recht, aber es bleibt eine $&%@#-Bestimmung im Steuerrecht –, zum anderen mitgeteilt wurde, dass die Erklärung, die abgegeben wurde, falsch sei, da die vorgebliche Einzelanlage in einem Windpark mit vier anderen Anlagen stehe. Nur dass die anderen vier Anlagen bereits seit 2014 außer Betrieb sind. Wie man das nach über zehn Jahren nachweisen soll, wenn man weder Betreiber ist noch diesen kennt und auch nicht Betriebsführer war oder ist – keine Ahnung.
Neue Ideen
Kommt dann noch der allerneueste Fall, dem die Stromsteuerhinterziehungsjäger auf die Spur gekommen sind. Auf einen assoziierten Projektierer kommt der Hersteller zu und verlangt von ihm die Versorgererlaubnis – die die Hauptzollämter für Windparks seit etwa 2018 nicht mehr vergeben. Die Windparks gelten seitdem als kleine Versorger und beziehen den Strom von außen wieder inklusive Stromsteuer. Die können sie dann im Folgejahr zurückfordern, sie sind und bleiben ja Anlagen, die Strom zur Stromerzeugung verbrauchen, zudem aus erneuerbaren Energien, und damit stromsteuerfrei sind. Nur für Mischwindparks, bei denen Anlagen über Gesellschaftsgrenzen hinweg, aber auch innerhalb von Gesellschaften Strom austauschen, bekommen sie dann doch wieder eine Versorgererlaubnis und leisten Strom stromsteuerfrei. Müssen sie aber auch eine Erklärung für abgeben. Überblick verloren? Kein Problem, das kriegt man hin.
Nun hat der Anlagenhersteller aber von seinem Hauptzollamt die Information bekommen, dass er bis zur endgültigen Übergabe an den Betreiber, also Ende Probebetrieb, die eigentlich handelnde Person und deshalb für die Stromsteuerveranlagung verantwortlich ist. Das führt dazu, dass der Betreiber, der ansonsten den Strom für die Bauphase dem Hersteller kostenfrei zur Verfügung stellt und im fließenden Übergang aber auch Strom zur Stromerzeugung verbraucht, dem Hersteller für die Phase Beginn der Bauarbeiten, ab Fundament und Wegebau, bis Ende Probebetrieb den gesamten Strombezug mitteilen, vielleicht sogar in Rechnung stellen muss, samt Stromsteuer selbstverständlich, nach der Denke sogar die Erlöse aus der Produktion abführen müsste, damit der dann gegenüber seinem Hauptzollamt abrechnen kann – um sich dann im Anschluss das Ganze wieder zurückübertragen zu lassen? Das heißt, wie macht man das? Geht das nur deklaratorisch und der Hersteller zahlt dem Betreiber lediglich die Stromsteuer aus, die er vom Hauptzollamt zurückerhält? Oder so ähnlich.
Alles hat zwei Enden
Dabei muss man eben auch daran denken, dass das Thema ja nicht nur die Windparkbetreiber beschäftigt, sondern auch in den Hauptzollämtern ein Haufen hoch qualifizierter Sachbearbeiter – welcher Besoldungsgruppe im Übrigen? Wenn deren Aufwand sich lohnen soll, müssen sie Formfehler monieren, Anträge abweisen, Mengen deklarieren, auf die Stromsteuer zu zahlen ist, und Verfahren etablieren, bei denen es zwingend zu Fehlern kommen muss. In die Situation möchte man selbst nicht kommen, nicht einmal mit dem hehren Ziel, Straftaten am Schreibtisch aufzuklären und die Täter dann zu verfolgen. Denn – um nur daran zu erinnern – Strom, der zur Erzeugung von Strom verbraucht wird, ist von der Stromsteuer befreit. Wo soll da die Straftat herkommen?
Ach ja, da waren ja noch die Verbrauchsmengen, deren Meldung die Hauptzollämter einfordern, also Angaben zum Eigenverbrauch, kann nicht gemessen werden, Angaben zu Querlieferungen in Parks mit mehreren Anlagen, kriegt man hin, wenn man Verbrauchszähler hat, und dann die Angaben zum Außenbezug, unter Einschluss der Mengen, die nicht von der Stromsteuer befreit sind, also etwa Strom für die Steighilfe oder Beleuchtung, gern schließen sie auch den Stromverbrauch von Umrichtern aus – muss man nicht diskutieren.
Wem von solchen Berichten und Rahmenbedingungen von der Jagd nach Straftätern durch Hauptzollämter nicht schummrig wird und wer noch Lust hat, beim Zoll sein Schreibtischleben zu verbringen, dem kann man möglicherweise eine solide legalistische Grundeinstellung unterstellen. Deutsch sein, findet sich in Heinrich Manns Roman „Der Untertan“, heißt, eine Sache um ihrer selbst zu tun. Aber so genau wollten wir das alles nicht wissen. Denn auf der anderen Seite gibt es in der Tat auch ganz nette Leute, die vielleicht aus anderen Gründen beim Zoll gelandet sind.