NOTES #7

Übergewinne abschöpfen?

Die Windenergie wird reich geredet, wird sich aber auf magere Zeiten vorbereiten müssen.

Man sollte meinen, dass es insbesondere der Windenergie gerade sehr gut geht. Und in der Tat können die Projekte derzeit Liquiditätszuflüsse verzeichnen, mit denen sie nicht gerechnet haben. Seit Ende 2021 sind die Marktwerte – also der Preis des an der Börse gehandelten Stroms – so hoch wie nie. Der bisherige Spitzenwert: 46,092 Cent pro Kilowattstunde lag im August 2022, also bei einem Wert, der beim 15-fachen des zuvor gewohnten Marktpreises lag. Das schlägt zwar bei Windparks in der EEG-Vergütung nicht vollständig durch, da die feste Vergütung zwischen 6 und 11 Cent pro Kilowattstunde liegt, je nach Alter des Windparks. Dennoch sind solche Vergütungen zweifelsfrei sehr hoch, ja, unanständig hoch.

Blick auf den neuen Windpark in Blumberg.
Foto: Jörg Weusthoff

Sie sind allerdings das Resultat der lange zurückliegenden Entscheidung, die Vergütung der Windparks näher an den Markt heranzuführen. Mit dem EEG 2014 wurde dies umgesetzt. Die Einspeisevergütung wurde in eine Marktkomponente, den Marktwert, der an der Strombörse ermittelt wird, und eine Erstattungskomponente geteilt, die Marktprämie, die vom Anschlussnetzbetreiber ausgezahlt wurde. Die Marktprämie stellte immer die Differenz zwischen Monatsmarktwert und dem jeweiligen Windpark zuzurechnenden Anzulegenden Wert dar und wurde netto ausgezahlt. Der Markt sollte also bewerten, was ihm Windstrom wert ist – und das tut er auch jetzt, selbst wenn einzuräumen ist, dass der Preisbildungsprinzip über den teuersten der billigsten Anbieter (sog. Merit-Order) dazu führt, dass Windstrom derzeit teuer bezahlt werden muss. Lösungen sind also gefragt, mit denen die Preisspirale gebrochen werden kann – die sich auftürmende und stetig unterfütterte Debatte über das Abschöpfen von »Übergewinnen« oder »Zufallsgewinnen« sollte aber so schnell wie möglich aufhören. Sie beruht – wie in den meisten Fällen, sobald es um die Windenergie geht – einfach auf einem Kurzschluss: Da kommt mehr Geld rein als je erwartet, das wird einfach gekappt. Vielleicht sogar rückwirkend.

Da ist zum einen das Faktum, dass die Preisrally an der Strombörse Monate vor dem Ukraine-Krieg begonnen hat und anscheinend auf eine sich ändernde Situation auf den globalen Gasmärkten zurückgeht. Durch die gesteigerte Nachfrage unter anderem durch China steigen auch Gaspreise, was eben unter den heute geltenden Bedingungen auch zu hohen Strompreisen führt. Das wird sich freilich nicht so schnell ändern. Ganz im Gegenteil. Solange also der Marktwert über den Gaspreis gebildet wird, wird er hoch bleiben. 

Windeigenheiten

So weit so gut: Die Gestehungskosten der Windenergie fallen auf den ersten Blick und im Vergleich zu Gas zwar gering aus. Aber das ist nur die halbe Wahrheit: Zwar stehen die Ressourcen Wind und Sonne kostenfrei zur Verfügung. Die operativen Kosten der Projekte betragen jedoch bis zu 25 Prozent der Umsätze. Weitere 50 Prozent der Liquidität können in die Finanzierung fließen, sodass nur ca. 25 Prozent der Zuflüsse in Normalzeiten frei verfügbar sind. In schlechten Windjahren sinkt dieser Anteil stark. Und windschwache Jahre häufen sich. Auf bis zu 75 Prozent fiel die Erfüllungsquote der Windparks im Jahre 2021. Von den letzten fünf Jahren blieben zwei weitere Jahre unter einem Wert von 90 Prozent der Prognose. Im Jahre 2022 setzte sich zwar der Höhenflug der Marktwerte fort, und auch das Windangebot im ersten Halbjahr konnte sich sehen lassen. Aber die Monate Juli bis September schwächelten schon wieder. Wenn diese Monate nicht hohe Marktwerte generiert hätten, wäre der Jammer schon wieder groß.

Soll heißen: Was bereits in der Kritik der Festpreisvergütung der Windenergie immer wieder ignoriert wird, ist die Unwägbarkeit der Ressource Wind. Wo andere Unternehmen sich mit ihren unzuverlässigen Kunden herumschlagen, also gegebenenfalls Absatzkrisen haben, gegen die man etwas tun kann, kämpft die Windenergie mit der Unzuverlässigkeit ihrer Ressource. Und dagegen hilft kein Kraut. Insbesondere der Wind schwächelte in den vergangenen Jahren derart stark, dass zahlreiche Projekte Mitte 2021 massive Probleme hatten. Wenn also etwa ein Journalist der Wochenendausgabe der Frankfurter Allgemeinen letztens monierte, dass es unfair sei, dass Windparkprojekte eine Mindestvergütung, aber eben Verbraucher keinen Höchstpreis bekommen, ignoriert er die extreme Abhängigkeit der Projekte vom Wind. Denn die Erlöse sind mit Festpreisen damit keineswegs gesichert. Und das ist nur die eine Seite.

Kostenrally

Die Problematik verschärft sich zudem durch die stetig steigenden Kosten, vor allem der Wartungsverträge (die von den Banken gefordert werden). Aber auch Kosten von Serviceunternehmen oder Stromversorgern steigen rasant. Die planmäßigen 1,5 Prozent Kostensteigerungen, mit denen die Kalkulationen erstellt worden sind, sind allein in diesen Bereichen Makulatur. Zudem scheut sich der Gesetzgeber nicht, den Projekten ungeplante Kosten aufzuerlegen: Die Bedarfsgerechte Nachtkennzeichnung, mit der die Akzeptanz der Projekte verbessert werden soll, war so ein Fall. Zwar kommen auf die meisten Windparks nur überschaubare fünf- oder sechsstellig Beträge zu, aber auch das sind Kosten, mit denen niemand gerechnet hat, die aber unentrinnbar sind.

Mit anderen Worten: Windparks sehen sich seit Jahren unter einem massiven Preissteigerungsdruck, können dem aber keine Kompensation gegenüberstellen, da das EEG-System von festen Vergütungsätzen ausgeht. Treffen solche Kostensteigerungen auf windschwache Jahre, sind die Windparks mehr oder weniger ausgeliefert. 

Das aber ist die Ausgangssituation Mitte 2021. Darauf haben die Marktwerte erst einmal einen kurzfristigen Ausweg ermöglicht. Aber die hohen Marktwerte haben in erster Linie die Verluste der vergangenen Jahre kompensiert und den Projekten darüber hinaus teilweise überhaupt erstmals Bewegungsspielraum verschafft. 

Soll heißen, so dringend eine Lösung für die extrem hohen Stromkosten ist – das steht wohl außer Frage –, so sehr ist es doch geboten, mit vorschnellen Eingriffen in Richtung Abschöpfung der hohen Marktwerte vorsichtig zu sein. Keine Frage, Windparks werden etwa mit einer Grenze von 18 Cent / kWh gut leben können – das ist der Wert, den die Europäische Kommission in die Waagschale geworfen hat. Aber abgesehen davon, dass eine Umleitung von Erlösen in Richtung Verbraucher unerhört aufwendig und komplex ist, werden dabei immense Kosten entstehen, die – wenn‘s böse läuft – wieder bei den Windparks landen. 

Statt vorschnell und gefällig Übergewinnabschöpfungen zu fordern, wäre es sinnvoller, hohe Gewinne dann und angemessen zu versteuern, wenn es sie wirklich gegeben hat, also nach Abschluss des Geschäftsjahres. Dann gäbe es überhaupt erst die Gewissheit, dass es Gewinne gegeben hat. Und es sollte sie geben, denn niemand wird in die Windenergie und in die Energiewende investieren, wenn dieses Investment massiv gefährdet ist, weil Märkte mal wieder irrational agieren (was zu beweisen wäre).