NOTES #8

Vom Verwalter zum Vermarkter

Es steht mal wieder eine Zeitenwende an – für Windparkbetreiber genauso wie für Betriebsführer. Denn viele müssen sich erstmals selbst um die Vermarktung des Stroms kümmern. Und darin stecken viele Risiken, aber auch Chancen.

Foto: Jörg Weusthoff

Windparkbetreiber mussten sich in der Vergangenheit im Wesentlichen auf die Verwaltung ihrer Parks konzentrieren. Durch die Festpreisvergütung
sind Erlöse relativ genau zu prognostizieren, auch wenn sie bei neueren Parks alle fünf Jahre auf den Prüfstand kommen. Was auch bei den Kosten zutrifft: Vollwartungsverträge etwa haben die Nebenwirkung, dass auch auf der Kostenseite eine relativ hohe Planbarkeit besteht.

Das wesentliche, volatile Element im Windparkbetrieb ist nicht die Abnahme und Vergütung der Produktion, sondern die Ressource – der unzuverlässige Wind. Zwar werden Windprognosen, die die Basis der Wirtschaftlichkeitsberechnungen bilden, mit Redundanzen und Puffern versehen. Dennoch kommt es immer wieder zu deutlichen Abweichungen, die schmerzhaft sein können. Ein schlechter Februar wie im Jahr 2018 kann das gesamte Windjahr nachhaltig beeinflussen, da gute Sommermonate die Einbußen im Winter nicht wettmachen können.

Raus aus der geregelten Vergütung

Unter diesen Voraussetzungen waren Betreiber und Betriebsführer also schon beschäftigt genug. Durch die Turbulenzen am Energiemarkt ändern sich nun jedoch die Rahmenbedingungen maßgeblich – was zu neuen Chancen, aber auch zu Risiken führt. Eingeleitet wurden diese Änderungen mit den ersten Windparks, die aus der geregelten Vermarktung fielen und seit dem 1. Januar 2021 auf einmal mit einem Bruchteil ihrer vorherigen EEG-Vergütung zurechtkommen mussten.

Erstmals mussten Betreiber sich Ende 2020 selbst um die Vermarktung des Stroms kümmern. Und sie mussten mit Vergütungen von oft nur 3 bis 3,5 Cent/kWh zurechtkommen. Denn mehr gaben die sogenannten PPAs (Power Purchase Agreements), die seinerzeit angeboten wurden, nicht her. Eine Direktbelieferung, wie sie der Name PPA verspricht, wurde durch diese Verträge noch nicht abgebildet. Aber das schien erstmal egal. Hauptsache es gab kalkulierbare Erlöse. Und immerhin mussten sich Betreiber in völlig neue Vermarktungs- und Vertragsformen einarbeiten, die auch formal anspruchsvoll waren.

Mit neuen Vermarktungsformen Erlöse optimieren

Dieser Prozess war aufwendig und voller Fallstricke, die bares Geld kosten konnten. Die wichtigste Lehre aus dieser Phase im Markt: Egal wie man sich entscheidet, es ist immer falsch. So hat die Marktentwicklung seit Mitte 2021 die Festpreisvereinbarungen überholt, die Ende 2020 geschlossen worden waren. Alle Windparks, die also mit Risiko in den Markt gegangen waren oder das als Notlösung akzeptiert hatten, profitierten auf einmal von hohen Spotpreisen und Marktwerten, während die Betreiber, die auf Nummer sicher gegangen waren und sich gekümmert hatten, auf erbärmlichen Erlösen sitzen blieben.

Die massiven Preissteigerungen auf dem Energiemarkt wurden aber zugleich zum Türöffner für neue Vermarktungsformen, für echte PPAs oder andere Festpreisvermarktungen, wie die sogenannten SWAP. Windparks oder Betreibergruppen, die größere Strommengen liefern und zugleich die Ausfallrisiken absichern wollen, sind neuerdings für Großverbraucher interessant geworden. Neue Zeiten, neue Möglichkeiten. Nach Auslaufen des Strompreisbremsegesetzes, das solche Verträge zeitweise unterbunden hatte, sind auch formale Hindernisse beseitigt. Betreiber können also jederzeit aus der sonstigen Direktvermarktung ausscheren oder – etwa bei Festpreisvereinbarungen – darauf aufsatteln und damit Erlöse optimieren.

Erstmals echte PPAs

Naheliegenderweise erfordert der Abschluss solcher Verträge ein deutlich aktiveres Agieren am Markt als bisher. Und das bedeutet eben auch, dass der Vermarktungs-, aber auch der Absicherungsaufwand massiv steigt. Denn PPA-Verträge sind deutlich komplexer als Direktvermarktungsverträge und müssen daher rechtlich und pragmatisch geprüft werden. Regelungen, die beispielsweise zu liefernde Mindestmengen definieren, ermöglichen zwar höhere Vergütungen, setzen die Betreiber aber auch unter Druck, diese Mengen zu erreichen. Vereinbarungen, nach denen nur verkauft wird, was produziert wird („pay as produced“), führen hingegen zu schlechteren Vergütungen, ebenso wie Regelungen, die auch Phasen negativer Strompreise oder Abschaltungen betreffen. Die Perspektiven sind bei einem Energiemarkt, der auch künftig starken Schwankungen unterliegen wird, – sagen wir – interessant. Die Festpreisvergütungen, die derzeit aufgerufen werden, sind zwar im Vergleich zu 2022 deutlich gesunken. Aber Versorgungssicherheit hat auch auf der Seite von (Groß-)Verbrauchern einen hohen Wert und ihren Preis. Und der kann gerade für Windparkbetreiber über dem anzulegenden Wert liegen.

Das alles aber verlangt von den Windparkbetreibern und Betriebsführern eine hohe Flexibilität, Kompetenz und Risikobereitschaft, entschlussfreudige Akteure, die auch mal eine Fehlentscheidung aushalten und sich so im Kontext hoher Kostensteigerungen finanziellen Bewegungsspielraum verschaffen wollen. So kann es sich also lohnen, die eigene Rolle neu zu interpretieren – vom Verwalter zum Vermarkter.